Interview mit Michael Müller (Deutsches Schauspielhaus Hamburg)
Lieber Herr Müller, wir freuen uns, bereits zum zweiten Mal ein Projekt mit Ihrer Theaterpädagogischen Abteilung am DeutschenSchauSpielHaus Hamburg durchführen zu können. Wie kam der Projekttitel „Worum sich alles dreht“ zustande?
Ich hatte sehr viel mit Lehrer:innen, aber auch Freund:innen darüber gesprochen, dass sich viele Jugendliche nach Corona mit ihren Erlebnissen in der Lockdown-Phase alleingelassen fühlen. Viele sprachen von einer „verlorenen Zeit“, von „Stillstand“. Dann wurde alles plötzlich wieder geöffnet und wir gingen alle zum Alltag über. Ich wollte mit dem Projekt jungen Spieler:innen und Autor:innen eine Möglichkeit geben, mit sich selbst und anderen in einen Dialog zu gehen und Formen zu finden, das Erlebte auf einer Bühne darzustellen ohne sich hinzustellen und einfach „zu erzählen“. Deswegen haben wir eine Form mit Musik, Texten und Bodypercussion/Tanz gewählt und mit den Werkstätten des Theaters einen Raum bezogen, wo sonst Bühnenbilder produziert werden. Der Raum hatte eine enorme Wirkung auf die Arbeit.
Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit mit jungen Menschen am Theater wichtig?
Die Frage wird immer gerne gestellt. Es kommt mehr darauf an, was den jungen Leuten wichtig ist. Ich kann mir nur den Auftrag geben, ihre Anliegen mit ihnen zu verwirklichen und künstlerische Ausdrucksweisen gemeinsam zu finden, also mein Expertentum zur Verfügung zu stellen. Das ist der Spagat zwischen dem eigenen künstlerischen Tun und der Gruppe, die auf der Bühne in einer geschützten Weise ihre Sicht auf bestimmte Dinge erzählen will.
Wie war das Feedback der Mitwirkenden zum Entstehungsprozess?
Die Spieler:innen kamen aus sehr unterschiedlichen Hamburger Stadtteilen und hatten auch recht diverse kulturelle Hintergründe. Schon bei dem ersten Treffen entstanden Freundschaften. Die Bodypercussion von Sarah Lasaki und die von mir eingebrachten Bewegungselemente erzeugten sofort Nähe und Gemeinsamkeit und das wollten wir ja auch erzeugen. Das Feedback in der Arbeit war konstruktiv, auch kritisch, weil wir die Gruppe fast alles selber entscheiden und entwickeln ließen (selbst einen Teil der Musik). Das hat allen gefallen, wirklich gemeint zu sein. Wenn es sich gut anfühlt, kommen alle wieder zu den Proben, das ist das beste Zeichen. Am besten sagt es diese Kurznachricht von Susane aus: „In unserem Projekt schweben wir von Gefangenschaft zur Befreiung. Dieses Gefühl, frei sein zu können, spüre ich immer wieder neu bei den Proben.“
Was waren die Erfahrungen der ersten Aufführungen und wann finden die nächsten Aufführungstermine statt?
Die Besucher:innen waren von der Erzählweise und Intensität berührt. Ich glaube sie verstanden, was wir ausdrücken wollten. Viele waren überrascht, dass so viel Poesie und gemeinsamer Rhythmus entstand, dass eben nicht alles destruktiv war, sondern auch mit Hoffnung versehen. Viele Darsteller:innen hatten wenig Spielerfahrung. Sie warfen sich einfach in die Aufgabe rein und erzeugte eine echt gute Energie. Der Funke sprang über.
Wir spielen wieder am 15.1.2023 in der Werkstatt des Deutschen SchauSpielHauses.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Foto: Niklas Heinecken für DeutschesSchauSpielHaus.